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Nicole König und Wolfgang Thies




pforzheim möbliert
Zeitungsbeitrag PZ, 2008

<< Mitunter wird auch ein treuer Diener als gutes Möbelstück bezeichnet, genauso wie die Dirne, von der es heißt, sie sei „mehr mobilis als nobilis“. Dies mag nur auf den ersten Blick erstaunen, sind doch der eine wie die andere genötigt, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, d.h. für andere Leute zu mobilisieren, um dabei die eigene Beweglichkeit einzubüßen.

Beim Aufräumen auf dem Speicher der Holzgartenstraße, wo sich unterm Dach die Leinwände von Generationen Studenten stapeln, fallen mir zwei staubige Gipsreliefs in die Hände. „Schönheit der Arbeit“ ist darauf zu lesen. Zufall oder nicht, das Motto kenne ich. Nach demselben war im deutschen Faschismus ein Amt benannt, das, wie W. F. Haug im Vorwort der Dissertation Chup Friemerts (2) schreibt, „vor dem Hintergrund direkter Unterdrückung und komplementär dazu auf spezifische Weise Zustimmung organisierte.“

Konkret initiierte das Amt „Schönheit der Arbeit“ verschiedene Kampagnen „Sonne und Grün allen Schaffenden“, „Gutes Licht- gute Arbeit“, „Saubere Menschen im sauberen Betrieb.“ Gemeinsam mit großen Industriekonzernen entwickelte „Schönheit der Arbeit“ Normvorgaben für die Unternehmensausstattung und suchte damit letztlich im Dienste von Führer und Kapital dem, was von der sozialistischen Arbeiterbewegung wenigstens ideell übrig war, den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Zwei staubige Gipsreliefs also, wahrscheinlich Hinterlassenschaft der einstigen Kunstgewerbeschule oder -wie sie in jener Zeit hieß- „der staatlichen Meisterschule für das deutsche Edelmetall- und Schmuckgewerbe“. Ein Erbe?

In Pforzheim ist die Bombennacht vom Februar '45 allgegenwärtig, das Stadtbild geprägt von Neubauten aus den 50- er Jahren, heute noch für viele nur schmerzhafte Erinnerung an das, was vorher war. In der örtlichen Stadtbibliothek finden sich Publikationen, in denen es heißt „die Jahre 1933- 45 mal weggelassen“ und solche, welchen den Angriff der alliierten Bomber auch als Folge der ansässigen Feinmetallfirmen interpretieren, die zuvor kriegswichtige Zündkörper gebaut hatten. Nun- ich bin gespannt, auf welche Weise die gegenwärtigen Studentinnen und Studenten Pforzheim möblieren und hoffe, es wird eine andere, und sie nicht nur bequem. (nk)

Hegel, Schelling, Hölderlin, Ältestes Systemprogramm des deutschen Idealismus, zitiert aus Theorie der Romantik, herausgegeben von H. Uerlings, Reclam Verlag 2000

Chup Friemert, Produktionsästhetik im Faschismus Das Amt „Schönheit der Arbeit“ von 1933 bis 1939, Damnitz Verlag GmbH, München 1980

IMPRESSUM
pforzheim moebliert
ein projekt der hochschule pforzheim I fakultät gestaltung I abteilung skulptur
in zusammenarbeit mit der stadt pforzheim I kulturamt
projektleitung:
prof. abrahem david christian I dr. isabel greschat I regina m. Fischer I vito pace


 

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